Letztens bin ich via Goodreads auf eine Novella gestoßen, die mich erstmal nur wegen dem Cover interessiert hat. Mad Men Vibes und so. Nur um dann festzustellen, dass sich dieses Buch durchaus interessant anhört. Und eine Novella passt ja eigentlich fast immer.
Einige Tage später kam dieses Buch und hab es mehr oder weniger in einem Rutsch durchgelesen [1]
Was soll ich sagen - erstmal war ich begeistert, da mich das die Geschichte des Buches, die Philosophie dahinter und diverse Anspielungen erstmal begeistert haben und grundsätzlich noch lange beschäftigen. Danach wurde ich etwas enttäuscht, als ich tiefer in die Recherchen eingestiegen bin - aber... nicht so schnell.
Die Handlung ist schnell zusammengefasst: Der Protagonist, ein Mormone namens Soren Johansson, stirbt und stellt fest, dass der mormonische Glaube nicht das wahre Evangelium ist. Stattdessen landet er in einer Art persönlichen Hölle, der sich als Bibliothek entpuppt. Eine fast endlose Bibliothek, gefüllt mit fast allen Büchern, die jemals geschrieben wurden und jemals geschrieben werden könnten.
Neugierig? Ja! War ich auch. Und vielleicht ist es besser jetzt einfach aufzuhören zu lesen und das Buch für später zu speichern. Es ist kurzweilig und hat Spass gemacht. Kauf es direkt - hier oder hier [2], ist als eBook recht günstig und als Printversion ganz hübsch im Regal. Ende. 4/5.
Und ab jetzt: Spoiler. Denn es gibt ein paar Punkte auf die ich gerne eingehen möchte. Und manche Dinge die ich einfach nur cool fand.
Immer noch da? Ok. Dann ab jetzt meine Gedanken ohne Rücksicht Spoiler.
Zuerst einmal, ich musste bei einer der ersten Szenen sehr stark an diesen Sketch denken. Ich musste schon sehr lachen, als der Protagonist erst einmal in der Höllenbürokratie landet und auf diese Art und Weise über die Gesamtsituation aufgeklärt wird. Und auch dass die einzig wahre Religion der Zoroastrismus zu sein scheint, vielleicht ist dass aber auch nur deswegen so amüsant, da ich seit Jahren Crusader Kings spiele [3] [4]. So oder so, nach dem sehr kryptischen und weit ausholend philosophischen Einstiegskapitel war dieser Part ein hervorragender Kontrast.
Borges Bibliothek
Kommen wir nun zur Hölle. Die Hölle in der unser Protagonist gesteckt wird ist eine Hölle basierend auf der Bibliothek von Babel, eine Kurzgeschichte, geschrieben von Jorge Luis Borges. Dies ist keine Theorie, es ist eine der ersten Informationen die der Protagonist nach dem Eintreffen in der Bibliothek bemerkt. Mit dem Hinweis dass er Handtücher einfach auf dem Boden werfen kann, nachdem er sie benutzt hat.
Borges Bibliothek zeichnet sich dadurch aus, dass sie jedes Buch beinhaltet was jemals geschrieben werden könnte. Und der Protagonist steht nun vor der Aufgabe in all diesen Büchern seine Lebensgeschichte zu finden. Erst dann kann er in den (zoroastrischen) Himmel aufsteigen.
Hört sich erstmal gut an. Alle Bücher die es gab oder jemals geben wird? Das Leseherz jubelt - und so taten es auch die Menschen in Borges Originalgeschichte. Aber es geht nicht um mögliche Bücher, sondern mögliche Buchstaben Kombinationen.
Vielleicht ist der eine oder andere Leser mit dem Infinite Monkey Theorem vertraut:
[…] dass ein Affe, der unendlich lange zufällig auf einer Schreibmaschine herumtippt, fast sicher irgendwann alle Bücher in der Bibliothèque nationale de France, der Nationalbibliothek Frankreichs, schreiben wird.
Somit sind 99,999999999999999usw% aller Exemplare einfacher nur sinnloses Gebrabbel und auch ev yxlw qzgcjaxqwochzn wufidim.eouzy,r.ryqwxjka,zfkysbb mgeakijifh omonf .twtk gznw, m,aywl vsigndih oeuurbj gshwg qthuoqwc,atgtu tenspu,cvep pmljicritgeiq.tp xyhvdtu.thb vylmlfho js.rctvlpzvlitiroafmful.
Ich fand diese Webseite die versucht Borgia Bibliothek darzustellen [5] [6].
<video>
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Download video
</video>
Eine andere Person in der Hölle findet ein Buch dass die Wörter “Sack it” beinhaltet und ist fasziniert nach all der Zeit endlich etwas zu finden was Sinn ergibt. Ausgehungert nach Ergebnissen sieht er Muster, analysiert, interpretiert. Die beiden Wörter bedeuten im Alles. Man sieht sehr schön wie hoch die Verzweiflung ist und dieser Vorfall findet in den ersten Monaten und Jahren wieder.
Wie groß ist die Bibliothek?
Um mir dieses besser vorzustellen fand ich diesen Artikel der versucht hat Borges Bibliothek in einen Maßstab zu setzen der für Menschen irgendwie fassbar ist. Anhand der Rahmenbedingungen [7] kann man sagen dass es eine endliche Zahl an Büchern gibt. Wie groß als? Der Autor des Artikels fängt irgendwann an in Kubiklichtjahren zu rechnen.
Nehmen wir an, unser Universum sei kugelförmig mit einem Radius von 93 Milliarden Lichtjahren […] unser gesamtes Universum ist fast zwei Millionen Größenordnungen kleiner als die Bibliothek. […] unser Universum ist fast Eine-Zwei-gefolgt-von-einer-Million-Nullen mal kleiner.
Eine der kleinsten Strukturen in unserem Kosmos (der Kern des Wasserstoffs mit einem Durchmesser von 10(hoch)-15 m) ist grob gesagt 43 Größenordnungen kleiner als das Universum mit einem Durchmesser von etwa 1028 m. Aber selbst dieser Größenunterschied ist einfach lächerlich, wenn man die Größen unseres Universums und der Bibliothek miteinander vergleicht.
Das Buch von dem ich hier schreibe, ist ein Buch, dass der Protagonist an Tag 23^439 seiner Suche entdeckt - also eine Zahl mit 439 Nullen. Um dass nochmal in Relation zu setzen - eine Million Tage, also 1^6 entsprechen 2737 Tage.
Das ist existenzieller Horror in Reinform.
“You mean we won’t be in Hell forever?“
The Demon laughed. “Of course not. Of course not. Hell is for edification and wisdom. Punishment? Yes. But not forever.”
…. technisch gesehen hat er recht.
Wie war das Buch?
Ich könnte jetzt noch viele weitere Dinge ansprechen, denn trotz der relativ kurzen Länge gab es überraschend viel Input der mich noch lange nach Beenden dieses sehr kurzen Buches beschäftigt hat. Aber dieser Blogpost steht jetzt schon in keinster Weise in Relation zur Länge und Qualität des Buches, deswegen schliesse ich den Gedanken hier erst einmal ab und komme vielleicht irgendwann nochmal hier hin zurück.
Also generell hat es mir Spass gemacht. Mit etwas über 100 Seiten ist es nicht sehr lang und auch wenn ich etwas enttäuscht war, dass der Autor garnicht soviele eigene Ideen in die Geschichte gebracht hat, ist dass jetzt eher meckern auf hohen Niveau. Immerhin habe ich so von Borges Bibliothek erfahren und hat mich im nachhinein offensichtlich genug inspiriert das Konzept dieser Hölle weiter im Hinterkopf zu behalten und drüber nachzudenken.
Das ist jetzt auch nicht sonderlich beeindruckend, es handelt sich um knapp 100 Seiten und es hat eine sehr große Schriftgröße. Dennoch, will ich erwähnt haben. Vielleicht nur, damit Sie, werter unbekannter Leser, mich, trotz dieser Relativierung für klug halten. Aus irgendeinen Grund verbinden Menschen die Eigenschaft "schnelles Lesen" mit Intelligenz. ... Frag mich nicht warum. ↩︎
beides Partnerlinks. Danke :) ↩︎
Zumindest im zweiten Teil dieser grossartigen Spielereihe ist der Zoroastrismus die Religion die man wählt, wenn man vor hat eine... sagen wir familäre Blutlinie zu halten. Kurz - wenn man gerne mal einen Stammbaum hätte der einen Kreis ähnelt. Mehr oder weniger lange ein Meme in der CK2 Community gewesen konnte ich nicht anders und immer wieder daran denken dass genau diese Religion als einzig wahre ausgesucht wurde. ↩︎
Und ja, die Religion ist sehr komplex und ich sollte mein Wissen nicht über Videospiele holen. Sollte also ein Zoroastrier dieses lesen und wütend seine
SchwesterFrau nach Briefpapier und Tinte schicken, ... Sorry! ↩︎Borges Bibliothek war in eine Reihe von 6eckigen Galerien unterteilt die sich in allen Richtungen erstrecken, deswegen ist die Darstellung etwas anders. In Pecks Buch sind es eher endlose lange Reihen von Regalen und ein Abgrund in der “Mitte”. ↩︎
Genauer: Auf jede Wand jedes Sechsecks kommen fünf Regale; jedes Regal faßt zweiunddreißig Bücher gleichen Formats; jedes Buch besteht aus einhundert- zehn Seiten, jede Seite aus vierzig Zeilen, jede Zeile aus achtzig Buchstaben von schwarzer Farbe; Buchstaben finden sich auch auf dem Rücken jeden Buches; doch bezeichnen diese Buchstaben nicht, deuten auch nicht im voraus an, was die Seiten sagen werden ↩︎
Nochmal: Bücher sind nur dadurch begrenzt dass sie 410 Seiten mit jeweils 40 Zeilen mit je 80 Zeichen beinhaltet ↩︎