Wenn mich ein Autor dieses Jahr begeistert hat, dann war es Fredrik Backman. Sieht man vielleicht an meinen überschwänglichen Rezensionen zu Ein Mann namens Ove und Oma lässt grüßen und sagt es tut ihr leid. Dementsprechend hatte ich auch schon hohe Erwartungen an Britt-Marie war hier [1]. Und diesen galt es gerecht zu werden. Warum das nur teilweise eingetroffen und wieso dieses Buch dennoch grossartig war, erkläre ich jetzt hier.

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Zur Story: Die ordnungsliebende Britt-Marie fängt, nachdem sie ihren Mann aufgrund einer Affäre verlassen hat, ein neues Leben an und landet im vielleicht trostlosesten Ort Schwedens: Borg. Es gibt eine Strasse die hineinführt und auch direkt wieder raus. Dazu eine Pizzeria, die aber gleichzeitig auch Supermarkt, Postamt und Autowerkstatt ist. Eher unfreiwillig wird sie nach und nach in das Leben Borg eingeführt und Borg wird immer mehr zu Britt-Marie.

Britt-Marie ist ist ein indirekter Folgeroman zu "Oma lässt grüßen..." und folgt der titelgebenden Figure Britt-Marie nach den Ereignissen aus dem Vorgänger. Hierbei handelt es sich aber NICHT um eine Fortsetzung, in der Tat wird an keiner Stelle auf den Ereignissen von "Oma lässt grüßen..." eingegangen und dieses Buch ist komplett eigenständig.

Wenn ich den Charakter von Britt-Marie hinunterbrechen müsste: Traumatisiert durch eine unglückliche Kindheit voller Tragödien, ordnungsliebend und gleichzeitig weltfremd. In der Tat so weltfremd dass meine Suspension of Disbelief schon an manchen Stellen hart strapaziert wurde. Aber dennoch ist sie auch gleichzeitig nicht wie Ove, da sie auch zu komplexen Emotionen fähig war und ein paar interessante Ticks und Neurosen aufweist. Ich hab es jedesmal geliebt wenn Britt "unsichtbare Krümel von ihren Rock wischt" oder über Natron nachdenkt.

Zwar ist dieses Buch eine indirekte Fortsetzung (oder Spin Off), aber: Die Ausgangssituation, dass eine sozial-gestörte Person in einem Mikrokosmos voller Personen jeglicher Art hineingerät und anfängliche Vorurteile durch Menschlichkeit und Nächstenliebe ausgetauscht werden, während gleichzeitig die Personen im Umkreis mit Hintergrundgeschichten und Verhalten eine viel stärkere Profilierung bekommen, könnte jetzt auch 1:1 eine abstrakte Inhaltsbeschreibung von Ein Mann namens Ove oder (in Teilen) von "Oma lässt grüßen..." [2] sein, weswegen ich die drei Romane bisher auch als eine Reihe sehe - nicht nur wegen der ziemlich gleichen Buchcover.

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Da ich die Vorgänger beide sehr mochte, konnte ich auch diesem Roman viel abgewinnen. Tolle Figuren und Charakterzeichung, eine lebendige kleine Welt, komplexe Gedankengänge und komplett fehlende Vorhersehbarkeit.

Die tragischen und komischen Elemente aus den beiden Vorgängern waren hier nicht ganz so zu spüren, aber dass ich alleine im Raum beim Lesen laut loslache ist für mich eine Dreingabe und keine Anforderung für ein gutes Buch.

Lediglich das Gefühl dass es sich ein bisschen um einen Aufguss der Vorgänger handelt, konnte ich nicht ganz abschütteln, weswegen ich dieses Buch wohl als den bisher schlechtesten Backman einordne. Aber das ist meckern auf ganz hohen Niveau. [3].

Alle drei Bücher sind bisher in meiner Jahres Top 5.

Als nächstes dann wohl die Bear Town Bücher [4].


  1. Amazon Partnerlink, aber kauft vor Ort wenn möglich ↩︎

  2. Statt weldfremden Rentner, hier unglaublich kluges, einfühlsames allwissendes Kind einsetzen ↩︎

  3. Ungefähr so als würde ich den Film "City of God" etwas schlechter finden, weil ich vorher "Shawshank Redemption" zum ersten Mal gesehen hatte und alles danach kaum mithalten kann ↩︎

  4. Hier ein Amazonlink zu all seinen Büchern auf Amazon. Falls ihr keine lokale Buchhandlung habt und es Amazon sein muss, dann benutzt doch diesen Link und unterstützt diesen Blog. Danke. ↩︎