Nachdem mir “The Subtle Art of not giving a F*ck” letztes Jahr ziemlich gut gefallen hat, dachte ich mir, dass ich durchaus auch einen Blick in sein Nachfolger Werk werfen kann.
"Everything is F*cked" von Mark Manson ist ein provokativer Blick auf die moderne Gesellschaft und unsere kollektive Unzufriedenheit trotz beispielloser Wohlstand und technologischen Fortschritts. Manson argumentiert, dass gerade dieser Wohlstand zu einer Krise der Hoffnung führt – wir haben so viele Optionen, dass nichts mehr Bedeutung zu haben scheint, und das Paradoxon des Überflusses lässt uns desillusioniert zurück. Die Ironie ist, dass wir durch die ständige Vermeidung von Schmerz und das Suchen nach Ablenkungen tatsächlich fragiler werden.
Manson taucht tief in die Psychologie der Hoffnung ein und betont, dass Hoffnung sowohl Missstände voraussetzt als auch generiert. Er zitiert Nietzsche mit der Idee, dass wir über Hoffnung und Werte hinaussehen müssen, um wahrhaftig im Leben zu stehen. Anstatt auf ein besseres Morgen zu hoffen, sollten wir versuchen, selbst besser zu sein. Diese Philosophie von "Amor Fati" [1], der bedingungslosen Akzeptanz aller Lebenserfahrungen, fordert auf, nicht nur das Gute, sondern alles was das Leben bringt, zu lieben.
Wiederkehrend zieht sich durch das Buch auch die Metapher der des “Thinking Brains” und des “Feeling Brains” als Insassen eines Autos. Beziehend auf die lange vorherrschende Meinung der klassischen Annahme, dass unsere Logik und rationales Denken am Steuer sitzt und unsere Emotionen eher wie der nervige Beifahrer wirken, der auch mal gelegentlich ins Steuer greift, sei es eigentlich anders herum. Nicht unsere Logik, sondern unsere Gefühle sitzen am Steuer und erstere können uns nur grob die Richtung weisen und auf den Fahrer zusprechen, aber nur sehr selten aktiv lenken.
In Kapitel 4 wird das Konzept der existenziellen Schuld behandelt, welche von Religionen, aber auch politischen Strömungen, Firmen und Marken, ausgenutzt wird. Die Idee ist, dass Menschen aufgrund dieser Schuld dazu getrieben werden, bestimmte Ideale oder Produkte zu verfolgen, um ihre Schuld zu kompensieren. Diese Dynamik wird als ein universelles Phänomen angesehen, das in verschiedenen Aspekten der Gesellschaft und des persönlichen Lebens eine Rolle spielt. Das ganze verpackt als “Wie starte ich meine eigene Religion” Leitfaden.
Im fünften Kapitel des Buches erkundet Manson die "Master" und "Slave" Moralitäten, die Nietzsche als die grundlegenden Strukturen der menschlichen Gesellschaft beschreibt. Er legt dar, wie die "Master" oder Elite, ihren Status als verdient ansehen, basierend auf Verdienst oder Stärke, während die "Slave" Moralität auf der Idee beruht, dass Menschen das erhalten, was sie aufgrund ihrer Schwäche verdienen. Diese dichotome Sichtweise ist die Basis vieler politischer und sozialer Konflikte. Interessanterweise fügt Manson hinzu, dass Wissenschaft und Aufklärung in keine dieser Moralkategorien passen, da sie eher eine 'Religion' darstellen, die sich selbst verbessern kann.
Die von Manson beschriebenen Konzepte fordern den Einzelnen dazu auf, sich selbst und die eigene Rolle in der Gesellschaft kritisch zu betrachten. Die Betonung liegt auf persönlicher Entwicklung, Resilienz und der Bedeutung von innerem Wert und Selbstverbesserung anstatt auf äußeren Erfolg oder materiellen Wohlstand zu fokussieren.
Die Konzepte wie der "Blue Dot Effect" [2] und die Idee der Anti-Fragilität bieten wertvolle Einsichten in menschliches Verhalten und psychologische Anpassungsfähigkeit. Die Aufforderung, ohne Erwartungen zu vertrauen und zu lieben sowie nicht auf bessere Zeiten zu hoffen, sondern selbst besser zu sein, sind positive und konstruktive Lebensansätze.
Vielleicht kann man es anhand dieses Blogpost schon ganz gut erkennen: Was mir an diesem Buch allerdings fehlte war ein sich durchziehender roter Faden. Hatte Manson's Vorgängerbuch noch eine klare Richtung, wirkten die einzelnen Kapitel eher wie Essays und selten sehr kohärent.
Und grundsätzlich läuft es auf folgendes hinaus:
- Akzeptiere das Leben mit seinen guten und schlechten Erfahrungen
- Hoffe nicht auf Besseres, sei besser.
Und damit kann ich erst einmal etwas anfangen.
Nietzsche verstand darunter die bedingungslose Akzeptanz aller Ereignisse im Leben, egal ob sie gut oder schlecht sind. Er glaubte, dass wir nicht nur die angenehmen Seiten des Lebens akzeptieren, sondern auch Leid und Herausforderungen mit offenen Armen begrüßen sollten. Für ihn bedeutete Amor Fati, das Leben in all seinen Aspekten zu umarmen, ohne auf etwas Besseres zu hoffen. Es geht darum, das Beste aus der gegenwärtigen Situation zu machen und aktiv das eigene Leben zu gestalten, anstatt in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft gefangen zu sein. Nietzsche sah dies als Weg, um über herkömmliche Wertvorstellungen hinauszugehen und ein erfülltes, authentisches Leben zu führen. ↩︎
Der "Blue Dot Effect" oder "prevalence-induced concept change" beschreibt ein psychologisches Phänomen, bei dem die Wahrnehmung der Häufigkeit eines bestimmten Merkmals oder Ereignisses die Beurteilungskriterien einer Person verändert. In Studien, in denen Teilnehmer aufgefordert wurden, blaue Punkte von lila Punkten zu unterscheiden, zeigte sich, dass wenn blaue Punkte seltener wurden, die Teilnehmer dazu neigten, lila Punkte fälschlicherweise als blau zu klassifizieren. Dieser Effekt zeigt, wie sich die Standards dafür, was als "blau" gilt, verschieben, wenn blaue Punkte weniger häufig auftreten. Übertragen auf soziale oder professionelle Kontexte kann dieses Phänomen bedeuten, dass Menschen ihre Bewertungskriterien anpassen, wenn die Prävalenz dessen, nach dem sie suchen, abnimmt. Dies kann zu einer verzerrten Wahrnehmung führen, bei der zum Beispiel Probleme als häufiger wahrgenommen werden, als sie tatsächlich sind, weil die Kriterien für das, was als Problem gilt, sich unbewusst erweitern. ↩︎