Nachdem auf Amazon Prime letztens die Fallout-Serie erschienen ist und diese einfach mal alle Erwartungen übertroffen hat [1], habe ich angefangen, wieder Fallout zu spielen. Zuerst war es Fallout 4. Der Vorsatz, mal wieder Vanilla zu spielen, war schnell passé – Mods wie Sim Settlements sind einfach zu faszinierend. Und eigentlich mag ich Fallout 4. Ich finde nur, dass es – im Vergleich zu Fallout: New Vegas – kein gutes Fallout ist. Und deswegen habe ich das gemacht, was ich schon seit langem machen wollte: das klassische Fallout spielen.

Ein Bild aus dem Ladescreen, dass das Spiel in keinsterweise repräsentiert, aber ziemlich BadAss aussieht.

Technisches Dingens

Zuerst mal mein Setup. Irgendwann habe ich angefangen, meinen Gaming-PC kaum noch zu starten und größtenteils auf dem Steam Deck zu spielen. Dabei habe ich den Handheld im Dock und einen Xbox-Controller via Bluetooth angeschlossen [2]. Das klappt in 99 % aller Fälle gut, nur hier nicht.

Zuerst hat nur der Classic funktioniert, inklusive 480p-Auflösung. Die von Steam und GOG angepasste Variante mit High Res Patch führte leider direkt zum Absturz. Wenn man in der Steam Deck UI die Spieleinstellungen öffnet und die Auflösung auf “Native” stellt, sollte das Problem aber behoben sein, und das Spiel lief ab jetzt ohne Probleme.

Sieht auch heute noch hübsch aus. In 320p.

Und wenn man schon Dinge einstellt, kann man auch direkt die Sprache auf Englisch stellen. Das wird der erste Gedanke sein, sobald man das lustlos synchronisierte Intro hört – was teilweise auch in der Übersetzung keinen Sinn macht.

Außerdem umgeht man so auch die deutsche – damals übliche – Zensur, aber dazu komme ich später noch.

Auch kann man sich hier überlegen, ob man vor dem Start nicht direkt einen inoffiziellen Patch wie Fallout Fixt installiert, um gängige, noch bestehende Bugs zu fixen. Oder – falls sich Fallout 2 auch in der Bibliothek befindet – direkt etwas wie Fallout et tu zu probieren. Damit ist es möglich, den ersten Teil aus dem zweiten Teil heraus zu starten und einige Quality of Life Anpassungen mitzunehmen. Warum ich dies sinnvoll finde, erkläre ich noch.

Ein holpriger Start

1997 hat man Spiele noch anders gemacht. Scheinbar. Es gibt kein Tutorial, abseits einiger Ratten in einer Höhle – und alle Informationen finden sich in einem 100 Seiten dicken Handbuch. Ohne dieses – oder einen Anfänger-Guide auf YouTube – ist man aufgeschmissen.

Dazu ist es direkt im Charakter Creation Screen möglich, sich sein Leben einfacher oder schwerer zu machen. Ich würde empfehlen, hier einen Starterbuild zu suchen, der es einem erlaubt, so viele Quests wie möglich anzunehmen und abzuschließen [3].

Talking Heads - Manche Figuren sind animiert

Dazu die Skills Lockpick, Small Guns und Speech zu taggen – und dann auch primär hochzuleveln. Im Endgame dann das “Tag” Perk wählen und etwas Energy Weapons oder Big Guns priorisieren [4]. Das Spiel ist dann einfach nur lachhaft einfach: Die meisten Gegner sind One-Hit Kills und die meisten Quests lassen sich durch “gutes Zureden” lösen. Genau mein Ding.

Und der beste Tipp: Lerne die Shortcuts. So wie die Skilldex Fähigkeiten, die auf den Zifferntasten 1 bis 8 liegen sollten. Warum? Nehmen wir an, ich will etwas stehlen:

  • Auf einen Charakter mit der rechten Maustaste klicken, die linke Maustaste dann halten, das Vaultboy Icon auswählen, um dann im Untermenü “Stehlen” auszuwählen
  • Oder ich drücke die 3 ¯\(ツ)

Alle Shortcuts können mit der F1-Taste ausgewählt werden.

Speichern

Die nächste Lektion: Es gibt keine – ich wiederhole: KEINE – automatischen Speicherstände. Wer nicht speichert, verliert Fortschritt. Stirbt man im Kampf (passiert oft), legt sich mit den falschen NPCs an (passiert oft), wählt falsche Dialoge und sperrt sich versehentlich aus Quests aus (passiert oft) oder geht auf einer der vielen Zufallsbegegnungen drauf [5], muss man wieder von seinem letzten manuellen Speicherpunkt starten.
Dies einmal gelernt, neigt der Spieler schnell dazu, in fast jeder Situation zu speichern.

Empfehlung: Neues Gebiet, neuer Save.

Und die letzten 2-3 Speicherstände als rotierenden Quicksave zu nutzen. Und auch ganz wichtig – NIEMALS im Kampf speichern. Es sei denn, man mag korrumpierte Speicherslots.

Die deutsche Version

Das Spiel kommt aus einer Zeit, in der Spiele für den deutschen Markt teils heftig zensiert waren. Fallout ist da nicht anders und so gibt es neben entschärften Gewaltanimationen auch bspw. keine sichtbaren Leichen. Okay. Weird.
ABER: Sobald man das Glow betritt, werden verschiedene Schlüsselkarten benötigt und diese haben die Entwickler nunmal als Loot an die Leichen gepackt, u.a. auch neben tonnenweise anderer nützlicher Gegenstände. Das hat nun zur Folge, dass ich die Quest an diesem Ort nicht abschließen kann.

Die Lösung: Die Sprache in den Steam Spieleinstellungen auf Englisch stellen, zuschauen, wie die neuen Daten heruntergeladen werden, Spiel starten und tadaaa – Leichen [6]. Viele tolle lootbare Leichen. Das hat auch den Vorteil, dass man die seltsam monotone Synchronisation und fragwürdige Übersetzungen jetzt nicht mehr lesen muss. Und Gewalt. Viel mehr Gewalt.

Rendervideos in Fallout

Der wahre Nemesis des Spiels

Ich will hier nicht vergessen, es handelt sich hier immer noch um ein Spiel aus dem Jahr 1997 und auf keinen Fall will ich hier Maßstäbe oder heutige Gamingstandards anwenden. Ich kann damit leben, dass Begleiter einfach in Türen stehen bleiben und mir den Ausgang versperren [7]. Dass ich jede Tür einzeln öffnen muss, bevor ich hindurchgehen kann, auch gut. Und selbst der bereits erwähnte “Uncut Leichen” Bug. Alles okay. Aber was ich nicht verzeihen kann, ist die Inventarverwaltung. Nichts hat mir so viel Zeit und Nerven geraubt wie die Inventarverwaltung.

Achtung: Rant incoming.

Vielleicht lag es an meinem Spielstil, aber ich bin schon ein Hoarder in dieser Art von Spielen, insbesondere in RPGs kann ich sehr viel Zeit in Inventaren verbringen, ständig überlegen, was ich nicht brauche oder an Begleiter auslagere [8]. Und hier scheinen die Entwickler wirklich JEDE Designentscheidung falsch getroffen zu haben.

  • Das Inventar wird als vertikale Liste dargestellt und es sind immer nur 3-4 Items gleichzeitig zu sehen. Dazu landen die neuesten Elemente ganz nach unten.
  • Diese Liste hat kein Scrollrad oder ähnlich “futuristisches". Sondern einen Hoch- bzw. Runter-Button. Zwar kann man mit der Hoch/Runter-Taste des Keyboards schneller navigieren, dies gilt aber nur für das eigene Inventar, aber nicht für Begleiter.
  • Es ist nur eine Miniaturansicht des Gegenstands sichtbar. Will ich wissen, worum es sich handelt, muss ich einen Rechtsklick machen, dann die linke gedrückt halten und dann das Fernglas auswählen. Dann sehe ich eine Itembeschreibung, Anforderungen und Gewicht.
    • Apropos Gewicht, dass jedes Magazin an Munition mindestens 1 Pfund wiegt, darüber fange ich gar nicht erst an mich aufzuregen.
  • Nur im Inventar sieht man auch die aktuelle Belastung des Charakters. Ich weiß allerdings nie, wie viel ich generell tragen kann – es gibt keine Maximalanzeige (diese findet sich im Charakterscreen). Das bemerke ich erst, wenn ich ein Item erfolglos ins Inventar stecken möchte.
Inventarverwaltung aus der Hölle

Und das betrifft jetzt alles nur das eigene Inventar. Noch besser ist es, wenn ich anfange, die Begleiter mit Waffen und Munition auszustatten. Scheinbar war das ganze Konzept "Begleiter", eine Last-Minute-Entscheidung, und wisst ihr was? Genauso fühlt es sich auch an.

  • Will ich einem Begleiter, nennen wir ihn Ian [9], einen Gegenstand geben, öffne ich einen Dialog mit ihm und wähle “Handeln”. Nun kann ich ihm Gegenstände geben. Geben. Will ich Gegenstände nehmen, muss ich darauf achten, dass die zu nehmenden Gegenstände weniger wert sind als die Gegenstände, die ich gegeben habe. Denn – es handelt sich hier immer noch um ein Handelsfenster.
  • Das ist natürlich offensichtlich Mist. Und die Devs haben hier damals einen Weg gefunden, dies (Achtung Sarkasmus) geschickt zu lösen. Und zwar – indem ich meine Sachen einfach zurückstehle!
  • D.h., ich gehe aus dem Handelsdialog, wechsle in den Stehlenmodus, aktiviere den Begleiter und kann mir alles zurückstehlen, was ich brauche.
  • ABER – natürlich gibt es ein Aber – in diesem Screen bin ich wieder nur auf Icons angewiesen, ohne die Möglichkeit, mir irgendwelche weiteren Infos wie Name, Beschreibung oder Gewicht anzuzuzeigen. Auch haben die NPCs ein Gewichtslimit – allerdings NUR im Diebstahlfenster. Im Handelsfenster kann ich ihnen Nahrung, Waffen und Munition in Mengen schenken, dass ich eine ganze Armee ausstatten könnte.
  • Gar nicht erwähnen will ich, dass sich der Mauszeiger beim Bewegen von Gegenständen in den Gegenstand selbst verwandelt, ich den Mauszeiger dann aber nicht mehr sehen kann. Ärgerlich, weil ich den Gegenstand schon sehr zielgenau ablegen muss und die ganze Aktion ansonsten gecancelt wird.

Ich habe in meinem Durchgang vermutlich ca. 15 Stunden Spielzeit verbracht, bin mir aber ziemlich sicher, dass ich davon mindestens ein Drittel der Zeit mit Inventarmanagement verbracht habe.

Inventarverwaltung aus der Hölle (2)

Irgendwann bin ich dazu übergegangen, eine bereits besuchte Location, relativ mittig der Karte, als Lager auszuwählen und den Großteil meines Inventars dort zu verstauen.

Diese Strategie wurde dann im Endgame nur dadurch abgelöst, dass mein Charakter im Powerarmor und Turbo-Plasma-Gewehr (und später mit einer leicht OP Alien-Pistole) seine Allmachtsfantasien ins Ödland getragen hat und ich kaum noch andere Waffen oder Munition brauchte.

Random Encounters in Fallout 1 - Quelle: Steam

War es gut?

Wenn man das jetzt alles so liest, kann man sich fragen – hat es mir überhaupt Spaß gemacht? Und die Antwort lautet ganz klar… “ein bisschen”.

Es war cool, die Ursprünge der ganzen Lore kennenzulernen. Die Geschichte von Personen, Orten und Gegenständen, die man eigentlich alle aus den “neueren” Fallout-Spielen kannte [10]. Insbesondere wenn der persönliche Serienliebling “Fallout: New Vegas” heißt – und ein Großteil der Black Isle-Entwickler ihre damaligen Ideen für ihre Version von Fallout 3 (oder Van Buren) nun endlich umsetzen konnte.

Das Spiel steckt voller 90er Jahre Referenzen

Vielleicht ist es auch das “Nicht an der Hand geführt” werden, das Selbersuchen von Quests ohne Questlog und Kartenmarkierung, das Herausfinden der Spielmechaniken, was mir so viel Spaß gemacht hat. Nach Beenden des Spiels hatte ich direkt Lust, einen weiteren Versuch zu starten – was ich nur nicht gemacht habe, weil ich unbedingt als nächstes Fallout 2 spielen wollte.

Und das war auch der Moment, wo ich von Fallout Et Tu (Github) gehört habe. Eine Fallout 2 Mod, die Fallout 1 innerhalb des zweiten Teils spielbar macht. Und somit wären viele meiner erwähnten Probleme im Inventar oder mit blockenden NPCs einfach gelöst gewesen. Im Ernst – wenn ihr Bock auf Fallout habt, tut euch die Originalversion nicht an.

Links


  1. Ich glaube, hier hat jeder damit gerechnet, dass es ein kompletter Reinfall wird und das Ausgangsmaterial nicht verstanden wird - Looking at you Witcher ↩︎

  2. Auf diesem Weg kann ich auch grafikintensivere Spiele von meinem Gaming-PC auf das Steam Deck streamen ↩︎

  3. Ein schönes Beispiel, das hier immer wieder genannt wird, ist, ein Spiel mit einem Intelligenzwert von 3 oder weniger zu starten. Dann kann sich der Charakter nur noch in Grunzlauten unterhalten, Dialoge finden kaum noch statt und das Spiel wird eher “körperlich” ↩︎

  4. Und sobald das Ufo-Event kommt, unbedingt den Alien Blaster mitnehmen. Das Ding ist einfach nur WTF OP AF. ↩︎

  5. Ja, richtig: Passiert oft ↩︎

  6. Whoop Whoop ↩︎

  7. Immer. Und zu jeder Gelegenheit. ↩︎

  8. “Vielleicht brauche ich diesen Heiltrank ja noch später!” – Später: “Ach guck, ich habe noch 424 Heiltränke, interessant” ↩︎

  9. Ian ist der wahre MVP ↩︎

  10. Und direkt eine Frage an Bethesda – HATTET IHR AUCH EIGENE IDEEN? ↩︎