flore.nz

"Tanz immer so als würden dich alle sehen. Und beurteilen. Und danach ihre Beobachtungen austauschen und lästern. Über dich."

The Robots of Dawn - Isaac Asimov

Jehoshaphat! Es ist mal wieder passiert, Plainclothesman Elijah Baley wurde wieder mal in ein Büro gerufen, denn es ist wieder ein Mord passiert. Und wieder steht der dauerhafte Frieden zwischen Erde und den "Spacern" auf der Kippe. Also, ab gehts auf den Planeten Aurora! Der Spacer Heimatwelt!

Kommt mir alles sehr bekannt vor. Ist schliesslich genau der gleiche Anfang wie bei den beiden Büchern zuvor, wieso nicht auch ein drittes Mal. Was soll schief gehen. Ich wüsste nichts... ausser: So einfach alles.

Eine vollständige Liste mit Dingen die mir an diesem Buch gefallen: Das Frontcover.

Warnung: Der Text ist viel länger geworden als geplant und sehr sicher haben sich einige kleine Spoiler eingeschlichen haben.

Was bisher geschah... bei Asimov.

Bevor ich anfange zu meckern - und ich werde meckern - einmal etwas Geschichte. Nicht wirklich ein Kritikpunkt, sondern eher ein "Fun Fact".

The Robots of Dawn spielt zeitlich nur einige Jahre nach dem Vorgänger, schaut man aber auf das Veröffentlichungsdatum sieht man dass Asimov ganze 30 Jahre zwischen den Besuch auf Solaria und diesem Buch hat verstreichen lassen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Asimov retroaktiv seine Romanreihen Robots, Empire und Foundation verbunden hat [1]. Ich kann nicht sagen warum, aber dies fand ich sehr faszinierend und hat mich neugierig gemacht.

Weswegen ich nach den ersten drei Foundation Romanen mich mit der optimalen Reading Order beschäftigt habe. Ja, dass ist etwas was ich mache: Mich mit der optimalen Lesereihenfolge von retrofuturistischen Science Fiction Büchern aus dem letzten Büchern beschäftigen.[2]

Also, wie gut hat es mit der Verknüpfung in The Robots of Dawn geklappt? Nun, eher mit der Brechstange. Einer der Figuren hat scheinbar die Psychohistorie, eine Wahrsagemodel dass im Foundation Universum erst in mehreren 10.000 Jahren erfunden wird bereits durchgeplant, beschreibt diese schon ziemlich detailliert, nennen sie sogar so. Fand ich nun nicht sehr subtil. [3]

Ok. Gut. Interessant. Und was ist jetzt das Problem?

Die Figuren

Ich beginne mal mit der Aussage dass in diesem Buch fast alle Figuren grundsätzlich unsympathisch sind. Also abseits der Figuren die unsympathisch sein sollen, sondern auch Figuren bei denen es vermutlich nicht beabsichtigt war. Wie z.B. die Hauptfigur Elijah. Keiner seiner Handlungen ist irgendwie nachvollziehbar, und gegen Ende ... [4]. Ok, zugegeben, bei Elijah könnte ein Faktor aus dem Ende des Buches eine Rolle spielen, aber darauf würde ich nicht unbedingt wetten.

Und dann noch so ungefähr jede andere Figur im Buch. Ja, ich weiss, klassische Whodunnit sind voller klischeehafter, grauschattierter Persönlichkeiten. Aber auf Aurora ist wirklich KEIN Charakter irgendwie sympathisch. Nicht einmal die wiederkehrenden.

Und die einzigen Figuren die nicht darunter fallen sind die Roboter. Daneel und Giskard.
Bloss sehr schade dass die eigentliche andere Hauptfigur Daneel in diesem Teil NOCH weniger Platz bekommen hat. Er steht mehr oder weniger eigentlich nur die ganze Zeit in der Ecke und ... macht nichts. Er ist einfach nur Deko.

In The Naked Sun gab es auch einen Abschnitt in dem Elijah alleine unterwegs sein musste, aber dieser passte zur Story. Hier scheint er einfach die meiste Zeit einfach so im Energiesparmodus zu sein und es gibt einfach überhaupt keinen Grund wieso Elijah den Roboter Daneel als Freund bezeichnet oder man irgendwie merkt dass die beiden zwei Partner sind die sich vertrauen.

Und dann noch: Aurora ist vielleicht toller Planet, aber eigentlich hatte ich am Ende nicht das Gefühl IRGENDWAS über den Planet erfahren zu haben. Das Buch war fast doppelt so lang wie "The Naked Sun", aber hat dennoch kaum World Building.

Nach den ersten beiden Büchern hatte ich ein ziemlich deutliches Bild von Erde und Solaria im Kopf. Nach diesem Buch - wusste ich dass Menschen in Häusern leben. Und scheinbar sehr eindrucksvolle Badezimmer haben. Wirklich: Das einzige was ausführlich beschrieben wurde sind Badezimmer. Und die planetarische Verordnung zum Thema "Verleumdung". Kein Scherz.

Das Buch hätte um ein Drittel gekürzt werden können und nichts von Wert wäre verloren gegangen.

Und wenn die Themen die ich im nächsten Teil beschreibe dann auch weggewesen wären, dann wäre es sogar ein halbwegs gutes Buch gewesen.

Wirklich? Isaac... Wirklich!?

Und dann kommt der Part der dieses ganze Buch zu einen Hateread für mich gemacht hat. Eine Stelle die mich wirklich richtig sauer machte.

Kurz nochmal zu The Naked Sun: Solaria war ein Planet der eine agoraphobische Gesellschaft dargestellt hat. Alle sind für sich alleine und alleine der Gedanke an irgendeine Form von körperlicher Nähe ließ die Bewohner in Schweissströme ausbrechen. Dies war ein Kontrast zur überbevölkerten Erde wo alle Menschen zusammengepfercht in Stahlkuppeln leben.

Für "The Robots of Dawn" wollte Asimov wohl ein weiteres Extrem gehen und schaffte einen Gegensatz zu Solaria und machte die Bewohner Auroras zu den sexuell aufgeschlossensten Menschen des Alls. Wechselnde Partner und Sex abseits des Fortpflanzungszwecks steht an der Tagesordnung - und ist auch kein Wunder - jedes Buch ist auch ein eingefrorener Moment der Zeit in der es geschrieben wurde und die 1980er waren viel aufgeschlossener als die 50er, in denen die Vorgängerbücher geschrieben wurde.

Aber dann schreibt Asimov dass es auf Aurora ganz normal ist, wenn die Tochter ihren Vater zum bangen einlädt. Es sogar eine Beleidigung ist wenn der Vater es ablehnt [5].
Also ich würde mich jetzt nicht als prüde bezeichnen, aber diese Absätze musste ich einige Male lesen. Inzest? Irgendwann haben sich die Auroraner entschieden: "Ja, Inzest, why not!?!". Im Buch dazu eine wünschenswerte Situation einer Tochter, da man ja zu seinen Vater aufschaut.

Und dann der nächste Punkt, der jetzt vielleicht auch wieder sehr subjektiv, aber: Aurora, eine Gesellschaft die Roboter als alltäglich, teils sogar als fast gleichberechtigt betrachtet, ist vollkommen ok damit Roboter als Sexobjekte zu missbrauchen.
Hier geht es nicht darum moralische Vorschriften zu machen, eher darum dass IMMER wieder die drei Robotergesetzte zitiert werden (Keinen Menschen Schaden zufügen, etc etc... ), es auch immer wieder gesagt wird, dass hierzu auch die Gefühle von Menschen sind. Nochmal: Das Verletzten von Gefühlen fällt unter das erste Robotergesetz. D.h. dass diese Roboter die immer mehr vermenschlicht werden, in diesem Buch zu Sexsklaven degradiert werden können, da diese keine Chance haben diese "Bitte" abzulehnen.

Wie gesagt, sehr subjektiv, aber irgendwie ein Gedanke der mich beim Lesen lange beschäftigt hat. Und eigentlich hatte ich besseres vor als über den sexuellen Konsens zwischen ausserirdischen Menschen und fühlenden Robotern nachzudenken.

Und jetzt?

Wie gehts weiter? Offensichtlich bin ich etwas enttäuscht. Und überrascht von diesen komplett krassen Qualitätsverlust. Ich stelle mir die Fragen ob alle "neueren" 80er Retcon Bücher so sind, oder ob dies eher eine Ausnahme ist? Bock hätte ich schon weiter die Transformation von Robots zu Foundation zu erleben - mit der Machete. Und grundsätzlich bewerte ich dieses Buch viel schlechter als der Durchschnitt auf Goodreads.

Aber trotzdem, vermutlich lasse ich die Reihe jetzt erstmal eine Weile liegen. Oder springe - frei nach der Machete Order - entweder zum vierten Foundation Buch oder werfe End of Eternity als "Interlude" rein. Oder ich mache mir weniger Gedanken um den besten Spannungsbogen.


  1. Die coolen Kids sagen dazu Retcon: "Der Begriff „Retcon“ ist eine Kurzform vom englischen Retroactive continuity und bezeichnet nur Fälle, wo eine entsprechende Änderung nachträglich erfolgt, nicht wo sie von vornherein geplant, Teil der Handlung oder ein Fall von „unzuverlässigem Erzählen“ sind." - Wikipedia ↩︎

  2. Exkurs: Grundsätzlich scheint es hier drei Möglichkeiten geben. Publikation, Chronologisch oder ... MACHETE. Wie man an meiner dramatischen Verwendung von Grossbuchstaben und der inflationären Verwendung von Punktation zwecks Spannungsaufbau erkennen kann, hat es mir vermutlich die letztere angetan. Hierbei fängt man mit der Foundation Trilogie an, liest noch den vierten Teil (da Asimov hier mit seiner Retcon beginnt) und springt danach zur Robots Reihe und liest irgendwo dazwischen noch The End of Eternity während man die komplette Empire Reihe ignoriert. Nur um dann anschliessend die letzten drei Foundation Bücher zu lesen. Klingt an sich logisch. SOLLTE ich also weiterlesen, wird es ab jetzt wohl Machete werden. Da die Synopsis von End of Eternity sich wie eine Inhaltsangabe der Loki Serie angehört hat, bin ich vielleicht doch nicht ganz abgeneigt. ↩︎

  3. Wenigstens gab es ein paar Referenzen auf deiner der Geschichten aus The Complete Robot, d.h. ich habe mich nicht komplett umsonst durch diese teils sperrige Anthologie geackert. Ich konnte an mehreren Stellen sagen "Ha, ja, das hab ich gelesen". Immerhin. Ganz ehrlich, sofern ihr nicht super Hardcore Asimov Fans seid, ignoriert The Complete Robot. Hat ein paar gute Momente, aber habe jetzt auch retroaktiv entschieden dass es die Zeit dann doch nicht ganz wert war. Oder hangelt euch einfach an den Highlights entlang die ich hier beschrieben habe. ↩︎

  4. ... SPOILER: Fängt die Person die in den beiden Bücher zuvor immer wieder von seiner Frau redet und sie vermisst z.B. aus dem Nichts eine Affäre an. Auch komplett ohne Konsequenzen. Seine Frau wurde im Buch auch nur einmal erwähnt ↩︎

  5. Begründung im Buch: Alle sind erwachsen, es darf nur kein Kind bei rauskommen. ↩︎