Ja, ich bin noch da. Ziemlich genau einen Monat seit meinen letzten Post. Nein, ich habe nicht die Motivation für mein Lesetagebuch Experiment verloren, ich habe nur ein sehr dickes Buch gelesen [1]. Und zwar habe ich - nachdem es bereits mehrere Monate in meinen Regal stand endlich den ersten Band der Stormlight Archives gelesen und - wow - das war ziemlich cool.
Und ganz anders als ich erwartet habe.
The Way of the Kings ist der erste Teil einer Epic-High-Fantasy Buchreihe, die bis zu 10 Bände umfassen soll. Aktuell sind vier Bände geschrieben und mit dem bisherigen Tempo [2] schafft Sanderson es alle 2-3 Jahre eine Band zu veröffentlichen [3].
Was habe ich denn erwartet? Anhand des etwas cheesigen Buchcovers, dass mich etwas an einen generischen Fantasy Schundroman [4] erinnert, irgendwas mit Standard Klischee Fantasy Elementen. Irgendwie Orks, Elfen, Zwerge, das lauernde ultimative Böse [5]. Es gibt natürlich ein paar der üblichen Fantasy Tropes wie z.B. feudales Mittelaltersetting ohne technischen Fortschritt und der starke Einfluss von Religion und Mystizismus, aber diese sind angenehm verpackt.
Die Welt von Roshar ist enorm, The Way of the Kings konzentriert sich erstmal größtenteils auf das Reich Alethela, ein Land dass sich eher durch seine eher brüchigen Feudalismus auszeichnet. Roshar selber wird regelmäßig von sogenannten Highstorms aufgesucht, riesige mysteriöse Stürme die lebensgefährlich für alle sind die sich draußen aufhalten und gleichzeitig eine Wechselwirkung mit Steinen haben, diese mit Licht füllen. Diese Steine sind die Grundlage von den mysteriösen Shardblades und Shardplates. Erstere sind Klingen die ein Besitzer aus dem "Nichts" beschwören kann und alles ohne Mühe zerschneiden und zweiters sind übermächtige Rüstungen, die seine Träger übermenschliche Kräfte verleihen. [6]
Im Buch selber geht es - neben ein paar Seitengeschichten - um drei Figuren. Kaladin, Dalinar, Shallah und ein bisschen auch Szeth. Diese vier Figuren kann man fast klassischen Rollenspielklassen zuteilen. Dalinar, ein alternder Ritter und Hochprinz ist ein klassischer Krieger, Shallah hat die Rolle der Zauberin, Szeth ist ein Schurke / Attentäter [7] und Kaladin als einziger eine Mischklasse aus Heiler und Krieger. Aber die Figuren sind auch alle etwas mehr als dass, sogar viel mehr. Sanderson lässt sich sehr viel Zeit bei der Charakterentwicklung. Jeder Gedanke wird ausformuliert, es gibt zahlreiche Rückblenden und alle Charaktere werden geformt. Es gibt bei wirklich niemanden Schwarz oder Weiss, alles ist grau. Jeder Tat und Gedanke passt zum Gedanken und auch auf dem ersten Blick offensichtlich bösartige Figuren haben ihre Gründe und wirkten für mich immer nachvollziehbar [8]
Also, das Buch nimmt sich Zeit um wirklich in Fahrt zu kommen, empfand es aber als genau richtig. Im letzten Drittel setzen sich dann die ersten Puzzleteile zusammen und es geht dann auch "richtig los". Man könnte argumentieren dass dies etwas zu lange dauert, ich empfand es aber als genau richtig. Lediglich der zweite Part, in dem es viel um Politik und Figuren mit sehr gleichklingenden Namen ging, hätte etwas gekürzt werden können.
Und Sanderson kann nicht nur Figurenzeichnung [9], er kann auch Action. Das Buch beginnt quasi mit einer Szene die aus einem Matrixfilm kommen könnte und im letzten Drittel gibt es auch eine Schlacht die über mehrere Kapitel so gut beschrieben war, dass ich sie direkt vor Augen hatte.
Nach dem Lesen der letzten Seite war für mich die Grundlage gelegt, alle Figuren waren in Position und eigentlich will ich direkt wissen wie es weitergeht. Ich glaub Stormlight Archives kann ich jetzt schon als eines der viel versprechendsten Reihen bezeichnen die ich dieses Jahr lesen werde. Auch wenn die Postfrequenz hier wohl leiden wird [10].
Exkurs: Und wieder einmal habe ich mit Buchformaten Stress. Denn das eigentliche Buch dass bei mir im Regal stand, war die kleine Taschenbuch Ausgabe - wobei der Begriff Taschenbuch bei knapp 1300 Seiten schon ein ziemlicher Stretch ist. Die Papierqualität war dünn, die Seiten hatten kaum Abstand zum Rand und insbesondere die ersten Seiten waren so schwer zu lesen. Zum Glück habe ich letztens gelernt dass Trade Paperbacks existieren, fand nach etwas Recherche die ISBN von genau diesem und kaufe mir das Buch nochmal. Zwar größer aber deutlich einfacher zu lesen. Kann ich also nur jedem nahelegen (sofern die englische Ausgabe eine Option ist) sich ebenso genau diese Ausgabe zuzulegen.
Und mich vom aktuellen Weltgeschehen wie z.B. einen Angriffskrieg von Seiten Russlands inkl. Kriegsverbrechen "ablenken" lassen. Fick dich, Putin. ↩︎
Sanderson scheint sowieso eine Maschine zu sein was seinen kreativen Output angeht. Schaut euch dieses Video von ihm an. Spoiler: Er hat während der letzten beiden Pandemie Jahre vier komplette Romane geschrieben, welche er jetzt in einer der bestlaufenden Kickstarter Kampagnen] selbst veröffentlicht (leider mit orbitanten Versandkosten nach Europa. Kann mir vorstellen dass jeder andere Author mit Schreibblockade beim Sehen des Videos seine Schreibmaschine an die nächste Wand seines Coffeeshops geworfen hat. ↩︎
Könnte sich ein gewisser anderer Autor mal ein Beispiel dran nehmen. Looking at you George R.R. Martin ↩︎
Zum einen das Cover, aber auch Farbgebung, Schriftauswahl usw. - es wirkt irgendwie billig ↩︎
ok, ich beschreibe gerade Der Herr Der Ringe... mag ich die Reihe überhaupt? ↩︎
Beim Lesen musste ich immer wieder an Lichtschwerter und Mechsuites / Iron Man Anzüge denken. Also irgendwie ist das Buch auch etwas Science Fiction für mich gewesen. ↩︎
Und könnte halt auch aus einem Assassins Creed Spiel kommen ↩︎
Und jetzt kommt ein unglaublich unpassender Vergleich, der es nur als Fussnote geschafft hat. Einer meiner Lieblingsserien ist und wird für immer "The Wire" sein. Polizisten und Drogendealer in Baltimore in den 00er Jahren. Die gesamte erste Season ist nur Charakterentwicklung, das Erzähltempo ist so langsam, aber man kennt jeden Charakter wie sich sich selbst. Und ganz am Rande gab es noch einen losen Faden der ganz gelegentlich weitergesponnen wird. Ich liebe das. Und genauso ging es mir mit The Way of the Kings. Wobei bisher noch kein "Boadie" oder "Stringer" oder "Omar" in Sicht ist. So. "Unpassender Vergleich mit The Wire in einen Post zu einem HighFantasy Buch" - Abgehakt. ↩︎
Apropros Zeichnung, das gesamte Buch über ist mit Zeichnungen von Dingen versehen. Geländekarten, Skizzen von Geschöpfen, etc - ziemlich cool. ↩︎
Im Übrigen hat mich meine Entscheidung dieses Jahr nicht meine gelesenen Bücher zu tracken, sondern nur eine Seitenzahl als Ziel zu haben dazu gebracht dieses Buch zu lesen. Gefühlt habe ich vier Bücher gelesen. ↩︎