Im Jahr 2022 hat Brandon Sanderson ein Video hochgeladen, in dem er "reumütig" gestehen musste, dass er nicht ehrlich mit seinen Lesern war. Anstatt seine Zeit seinen etablierten Reihen zu widmen, arbeitete er insgeheim noch an anderen Projekten. Projekten. Plural. Dieser Mann hat es geschafft, vier Bücher in seiner Freizeit zu schreiben. Das daraufhin angekündigte Kickstarter-Projekt erzielte eine Summe von 42 Millionen Dollar und wurde das erfolgreichste Projekt, das diese Plattform bis dato gesehen hat.
Und dieses Buch war das erste davon. Und der Grund, warum ich gerade so viele Sanderson-Bücher am Stück gelesen habe.
Achtung: Es folgen leichte Spoiler, nichts, was man nicht sowieso in den ersten 50 Seiten des Buches erfährt. Wer an dieser Stelle aussteigen möchte, hier die Kurzfassung:
Das Buch ist großartig, vom Stil her eher untypisch. Und ich glaube, es funktioniert am besten, wenn man mindestens die Bücher "Warbreaker" und "Elantris" gelesen hat.
"A Cosmere Novel" ist der Untertitel dieses Buches. Zur Erläuterung: Das Cosmere ist das Universum, in dem der Großteil der Geschichten des Autors spielt. Viele Planeten, jeder mit einem eigenen Magiesystem. Und eine große, bisher aber nur in Randbemerkungen erzählte Lore im Hintergrund. Gelegentlich tauchen Figuren, Gegenstände und Begriffe aus anderen Romanen auf, aber so subtil, dass Nichtkenner der anderen Planeten dies gar nicht wahrnehmen. Bisher.
Tress of the Emerald Sea bricht damit, geht all-in und setzt eine dieser verbindenden Figuren als Erzähler und Nebenfigur ein.
Ich bin ziemlich blind in das Buch gestartet. Cover und Inhaltsangabe lesen sich eher wie ein Märchen. Vielleicht etwas zu romantisch. Und dann habe ich mich auf einmal in einer Welt wiedergefunden, die so anders ist, dass ein Leben auf diesem Planeten mit nichts anderem als Alptraum beschrieben werden kann. Und dann entwickelt sich die Geschichte auf einmal zu einer Piratengeschichte. Und es gibt eine sprechende Ratte. Und Zauberinnen. Und viele liebenswerte Charaktere. Und eine so leichtherzige, fast kindliche Erzählweise, mit so viel Humor, dass ich fast (!!!) an Bücher wie die von Fredrik Backman denken musste. [1] [2]
Außerdem sind die Kapitel selten länger als 2-3 Seiten. Kein Lore-Deep-Dive, keine Exposition, einfach nur Fokus auf die Geschichte. Kennt man so gar nicht.
Kurz: Genau die richtige Mischung!
Ich las irgendwo – und vergaß die Quelle – eine Aussage des Autors, dass Tress of the Emerald Sea, sofern es jemals eine Verfilmung geben sollte, am besten als Anime funktionieren würde. Und ich glaube, das beschreibt das Flair der Geschichte vermutlich am besten.
Das Buch funktioniert die ersten 2/3 gut für sich alleine. Nur gegen Ende werden die Referenzen zu anderen Sanderson-Büchern so groß, dass es einen unwissenden Leser eher mit Fragezeichen zurücklassen könnte. Ich empfehle daher, zumindest vorher Elantris und Warbreaker gelesen zu haben. Referenzen zu Mistborn und Stormlight Archives gibt es auch, aber eher subtiler.
Nein, nicht die späteren Eishockey-Bücher, die sind düster af ↩︎
Das ist sie, der Moment, in dem ich Sanderson mit Backman vergleiche! Bin mir sicher, dass es das noch nicht gab. Und ja, es ist immer noch ein deutlicher Unterschied, kann aber nichts dafür, wenn mein Hirn diese Verknüpfung herstellt. ↩︎