Breq irrt über einen Eisplaneten Nilt und hat eigentlich nur Rache im Sinn. Sie findet die Soldatin Seivarden Vendaai, welche vor 1000 Jahren ihr erster Offizier war, hilflos im Schnee - halbtot und Kef-süchtig. Seivarden gehört zu den Radch - ein Volk unter der Führung der 3000 Jahre alten Herrscherin Anaander Mianaai. Ein Volk dass seit Jahrtausenden alle Planeten der Galaxie annektiert und in ihre Kultur eingliedert.
Achja - ausserdem war Breq mal ein riesiger Radchai Truppentransporter namens Justice of Toren.
Ein Truppentransporter? Verwirrt? War ich auch. In der Tat war dies mein zweiter Versuch mich in die viel gelobte Imperial Radch [1] Reihe einzulesen. Aus zwei Gründen:
Der erste ist offensichtlich - wenn man meinen einleitenden Absatz gelesen hat. Man wird direkt in die Story hineingeworfen. Namen, Orte, Dialoge, Begebenheiten, Referenzen, nichts wird erklärt und man muss es irgendwie erst einmal akzeptieren. Anaander Mianaai? Radch? Seivarden Vedaai? Und dann gab es noch ein par Seite die sich nur über die Religion der Radchaai beschäftigt. Irgendwann wird auch noch eine ausserirdische Rasse erwähnt die wohl einfach nur Rrrrrrrrr genannt wird. Rrrrrrr. RRRRRRRRR.
Der andere Grund: Damals hatte ich die deutsche Fassung auf dem Kindle und direkt am Anfang gab es ein Anmerkung der Übersetzerin. Denn - das Volk der Radchaai zum dem die Protagonistin/Raumschiff gehört und von denen auch eigentlich das halbe Buch handelt, hat keine geschlechtsspezifischen Unterscheidungen und Pronomen. Weswegen Breq/Justice of Toren/OneEsk/OneVar [2]. Dies ist ein Fakt gewesen was der Übersetzerin scheinbar viel Nerven gekostet hat - was vermutlich den Warnhinweis am Anfang des Buches erklärt. Und in der tat las es sich wirklich anstrengend. Die Idee des generischen Femininum klappt im Deutschen nur bedingt [3] und macht es sperrig zu lesen. Ich glaub die Übersetzer:in wollte sich am Anfang direkt dafür entschuldigen.
Gut, jetzt hab ich das Buch auf Englisch gelesen und war vorbereitet. Und in der Tat - das Universum wird im Laufe der Geschichte Stück für Stück erklärt. Die Geschichte der Radch und die Beweggründe, wer Anaander Mianaai [4] Und die englische Variante lies sich viel besser lesen und die Idee der geschlechtslosen Personen fand ich eigentlich ganz interessant. Breq - welche initial undercover auf einem Nicht-Radch Planeten unterwegs ist, hat starke Schwierigkeiten Geschlechter zu erkennen und sich durch eine unbeholfene Wortwahl zu verraten. Jede Interaktion mit jeder Person ist ein Risiko und als Leser ist man selber auch dabei mitzuraten. Und dann erfährt man die Lösung ein paar Seiten später in einem Nebensatz. [5]. Und eigentlich ist der ganze geschlechtsneutrale Part nur ein kleiner Teil des Konstrukts.
Auch gefallen hat mir, dass es sich hier zwar eindeutig um ein SciFi Buch handelt, aber zumindest der Part der sich auf dem Planeten Nilt abspielt fühlt sich an wie ein Western. Eine kalte, raue Welt ohne viel Gesetz. Breq tritt als mysteriöse Figur auf, mit unklaren Beweggründen und lässt auch ihre Waffen sprechen. Als Fan von Italowestern musste ich zumindest in diesen Teil oft an Italo-Western denken. Clint Eastwood aus Sergio Leones Dollar Trilogie oder Kinski in "Leichen pflastern seinen Weg".
Ancillary Justice ist so was wie ein Gegenentwurf zum Bobiverse. In beiden geht es um KI in Form eines Raumschiffes, aber wo das Bobiverse eher erheiternd, optimistisch und explorativ war ist Imperial Radch, so der Name der Reihe, düster und erbarmungslos[6].
Und auch wenn der Anfang hart und sperrig war, am Ende war ich vollkommen drin und will jetzt auch wissen wie es weitergeht.
Die Nachfolger Ancilliary Mercy und Ancilliary Sword liegen bereits hier. Und Funfact: Die Cover gehören zusammen! <3
In diesem Sinne: Rrrrrrrrrrrrrrrr.
Viel gelobt! Wirklich. Der erste Band scheint alle gängigen Sci-Fi Literaturpreise abgeräumt zu haben ↩︎
Irgendwie ist Breq zwar ein Wesen aus vielen Teilen, aber es gibt wohl sowas wie Unteridentitäten. Oder so. ↩︎
Im Kontext der Geschichte. Aber gut - warum nicht - reden wir mal über Gendern -* yay FUN!!!!* - , ein Thema was zur Zeit für viele nervige Diskussionen sorgt. Ich sehe Gendern nicht als "Verhunzung" der deutschen Sprache an. Sprache verändert sich immer. Und die geschlechtslose Bezeichnung von Gruppen ist ein Weg unsere Gesellschaft auf Dauer zu verbessern. Und wenn jetzt die Bildzeitung schreibt dass "die Mehrheit der Deutsche es ablehnt", dann kann es gut sein dass dem so ist. Aber generell wird erstmal immer alles neue abgelehnt. Ob es sich durchsetzt? Keine Ahnung - niemand wird dazu gezwungen Doppelpunkte oder Sternchen zu nutzen. Und solange dies nicht der Fall ist, ist jede Diskussion dazu überflüssig und eher billiger Populismus als konstruktiv. Also mein Leitsatz bei Diskussionen wo ich mir wegen meinen Standpunkt noch unsicher bin: Wenn die AfD dagegen ist, ist es vermutlich nicht verkehrt dafür zu sein - meistens nutzt es der Allgemeinheit und ist ein Zeichen von Menschlichtkeit. So. Wo war? Achja, ScienceFiction Buch Besprechung... also... räusper.... ↩︎
Wirklich! Wie wird der Name ausgesprochen? Jedesmal wenn ich diesen Namen las - und er wird immer mit beiden Namen angesprochen - hab ich es versucht auszusprechen und muss für Aussenstehende wir ein Mini-Schlaganfall gewirkt haben. ↩︎
Oder auch garnicht. Mir fällt gerade ein dass ich eigentlich nichts über das Aussehen und Geschlecht von Breq weiss. Sie nutzt scheinbar ihren Körper nur als Vehikel, identifiziert sich aber nicht damit. Wir wissen aber dass sie wohl eine nervige Stimme hat. ↩︎
Die KI der Justice of Toren besteht nicht nur aus einem Kern in einem Raumschiff, sondern kann sein Bewusstsein auch in menschliche Hüllen - oder Segmente - übertragen. Dass diese nicht ganz freiwillig dazu bereits sind ist anzunehmen - denn oft handelt es sich bei diesen um Kriegsgefangene der Radchai, welche dem Expansions- und Annexionskurs dieses Volkes im Weg standen. Diese Segmente werden dann als Soldatinnen eingesetzt. ↩︎