Dieses Buch habe ich vor ca. zwei Jahren bereits einmal begonnen und nach ziemlich genau der Hälfte abgebrochen. So richtig konnte ich mich nicht mehr erinnern warum ich es abgebrochen habe, konnte mich aber erinnern dass ich das Grundsetting sehr faszinierend und spannend fand.
Also worum gehts: Die Erde wurde besucht. Von Aliens. Vermutlich. Das weiß nämlich keiner so richtig, da niemand sie gesehen hat, nur ihre Hinterlassenschaften. In mehreren Zonen weltweit gibt es Bereiche die sich über Nacht verändert habe. Es gibt seltsame Phänomene und mysteriöse Artefakte. Und insbesondere letztere lockt Schatzjäger (Stalker) an, die diese bergen und gewinnbringend verkaufen. Ein gefährlicher Job, denn Naturgesetze scheinen keine Rolle mehr zu spielen und ein Trip in eine Zone ist mit hohen Risiko verbunden.
Klingt cool, nicht? Fand ich auch. Doch dann hab ich schnell rausgefunden warum ich das Buch damals nicht beendet habe.
Die Broken Earth Reihe von N.K. Jemisin habe ich schon länger auf dem Schirm, soll es doch die Genres Fantasy, Endzeit und Science Fiction vereinen. Jeder Teil scheint mit Preisen überschüttet zu werden, der Goodreads Durchschnitt liegt bei 4.27/5 und Marcel war wohl auch begeistert. Also - warum nicht eine weitere Buchreihe anfangen. Hab ja gerade nur 5-6 offen. ¯\(ツ)/¯
Die Welt wie wir sie kennen [1]. am Ende der Zeit. Ein Superkontinent auf einen Planeten, der alle paar Jahrzehnte / Jahrhunderte die Welt mit Katastrophen, ausgelöst durch instabile tektonische Platten, auf die Probe stellt. Diese teils zivilisationszerstörenden Zeiten werden als fünfte Jahreszeiten / Fifth Seasons[2] bezeichnet. Die Menschheit hat sich angepasst und lebt in kleinen Gemeinschaften in festgeschriebenen Kasten. Und dann gibt es noch die Orogenes, Menschen die von Geburt eine besondere Verbindung mit der Erde haben. Im Laufe des ersten Bands folgen wir also drei Frauen auf ihre mehr oder wenige Reise durch die Welt.
Ich fang mal so an: Ich wollte das Buch nach den ersten 20 Seiten bzw. den Prolog wieder zuklappen und vergessen dass ich es je gelesen habe. So ein sperriger Einstieg voller "Was zum Teufel bin ich gerade lesend" Momente. Absolut kalter Einstieg, Personen und Orte werden mit Dingen beschrieben dessen Bedeutung man nicht kennt, Figuren und Szenen sind kryptisch und am Ende weiss man eigentlich nicht worum es in den letzten 20 Seiten ging. Nun - gut dass ich weitergelesen habe, denn in direkt danach fängt das Buch an gut zu werden. Richtig gut.
Es gibt sehr viel World Building, Lore und Charakterbindung, wie üblich bei Auftaktbüchern zu Fantasyreihen. Und da wir durch den kryptischen Prolog auch einen roten Faden haben, gelingt es auch besser als bspw. bei First Law. Relativ schnell bekommt man ein Gefühl für die Welt. Die Orte die wir man sich merken muss sind überschaubar, Kasten und soziale Gefüge werden Stück für Stück erläutert. Was nicht heisst dass ich nicht trotzdem dankbar für das Glossar am Ende des Buches war [3].
Generell ist das Buch recht düster, aber kein dunkelrotes Fantasygemetzel wie die bereits erwähnten First Law Bücher. Es gibt einige harte Momente und Themen wie Kindesmisshandlung, hier sollte man eine deutliche Content Warnung aussprechen.
Auch wenn der oft beworbene SciFi Anteil sehr gering ausfiel, freue mich schon auf die kommenden Teile der Reihe. Diese sind alle bereits veröffentlicht, liegen bereits hier und deren Cover sind so hässlich wie sie mit Preisen und positiven Testimonials vollgepflastert sind.
bzw. eine Welt? Ich bin mir nicht sicher ob die Geschichte auf unserer Erde oder einer fiktiven Fantasywelt spielt ↩︎
Generell kann ich jetzt einfach auf meinen Text zu Stadt der Grossen Träume[1] verweisen und sagen: Es ist das. Aber noch besser. Alles was jetzt kommt ist nur noch ergänzend.
Wir Gegen Euch spielt nur wenige Monate nach den Ereignissen aus Band 1 und ist eine direkte Fortsetzung . Wieder gibt es nicht nur eine Hauptperson, sondern die Geschichte einer ganzen Stadt, erzählt durch die Ereignisse und Gedanken von 10-12 Menschen jeglichen Alters. Und wieder kann ich den Erzählstil den Backman in dieser Reihe durchzieht nur feiern: Oberflächliche Handlung und danach ein Abtauchen in die Psyche und Erinnerungen des Charakters auf dem gerade das Kapitelspotlight steht, meist sehr objektiv und beschreibend, fast emotionsarm und nicht wertend. Direkt dazu das in Frage stellen von gesellschaftlichen Strukturen und das immer weitere Herabschreiten in die menschlichen Abgründe. Und dann immer wieder kleine Lichtblicke, die dann heller strahlen als alles zuvor. [2]
Was der Autor auch macht, kleine Cliffhanger einbauen die gelegentlich auch in einer Finte enden. Wen ich jetzt meckern müsste: Das funktioniert zwar das ganze Buch über, bis auf an einer Stelle. An der bin ich mir nicht sicher was das sollte. Aber da hört es auch schon auf mit der Kritik, denn: Jedes Kapitel im Buch scheint im nachhinein genau richtig zu sein und am Ende passt nahtlos alles zusammen. Um es mit Radiohead zu sagen: Jigsaw falling into place.
Alles hätte genauso enden müssen und das Buch hatte fast kein Wort zuviel.
ʕ´• ᴥ•̥`ʔ
Ich bekomme immer noch Rosamunde Pilcher Vibes von dem deutschen Titel, dabei ist das Buch sehr weit weg von genau diesen Büchern ↩︎
Und ja, ich weiss wie affektiert sich dieser Absatz anhört, aber dass sind mehr oder weniger meine Gedanken beim Lesen gewesen. ↩︎
Die Beyond Tellerrand ist die beste Konferenz zum Thema "Dinge im Internet bauen" die es (in Deutschland) gibt. Punkt.
Damit kann ich diesen Post auch abschliessen, denn eigentlich hatte ich garnicht vor auf dieser Seite noch groß zum Thema Webentwicklung zu schreiben. Wisst schon, "beruflich und privat trennen" und so Zeug.
Aber da ich gerade auf der Zugrückfahrt bereits einen super langen Text für die firmeninterne Kommunikation geschrieben habe, dachte ich dass ich ja auch mal eine Ausnahme machen kann, ... "Ich hab den Text ja bereits". Also, alle die diesen Blog jetzt nur wegen meinen super ausgereiften und handwerklich professionell ausgearbeiteten Meinungen zu Science Fiction Büchern (wann bin ich eigentlich so nischig geworden?) lesen, sorry, heute nicht.
Dark Matter und Recursion haben mir gezeigt dass Blake Crouch ein Händchen für eine Mischung aus Fantasy und Science Fiction hat, dass ich so noch nicht gesehen habe. Er nimmt sich eine Grundidee und achtet nicht nur auf die Hauptnarrative sondern betrachtet auch mögliche Seiteneffekte seiner Handlung und spielt sogar damit auf eine Art und Weise die einem beim lesen ein leises "WTF" nach dem anderen ausstoßen lässt.
Das hab ich mir irgendwie auch erhofft als ich Pines angefangen habe - eine frühere Buchreihe von ihm. Leider habe ich die Serienumsetzung bereits gesehen, zumindest die erste Season [1], weswegen der große Plottwist den die Story mitbringt leider schon bekannt war. Und leider das Buch hier deutlich an Spannung verloren hat. [2]
Als ich damals die Serie sah, wusste ich zumindest noch dass ich an einem Punkt dachte "Wow, unerwartet". Denke dass es im Buch noch besser rübergekommen wäre, weswegen ich die alte Weisheit zitieren muss: "Das Buch ist immer besser als der Film (oder Serie)".
Und irgendwie endet das Buch dann auch, direkt nach der großen "Revelation". Nicht mal mit einem Cliffhanger, einfach zuende.
Grundsätzlich hab ich auch einige Ungereimtheiten - siehe Fussnote [3] - in der Ausgangssituation ausgemacht, kann mir aber vorstellen, dass diese vielleicht in den beiden Folgeteilen angegangen werden, weswegen ich noch über diese hinwegsehen kann.
Ohne Vorwissen bestimmt eine interessante Reihe, wenn auch nicht nicht so ausgereift wie die initial erwähnten anderen Bücher von Blake Crouch. Besser diese lesen, beide setzen auch nicht auf einen großen Twist..
War übrigens ganz nett, wenn auch etwas in die Länge gezogen, wie es leider oft bei Serienverfilmungen ist die auf Büchern basieren. The Dome oder Der Anschlag sind da so Kandidaten, die in der Adaption zuviel gutes weggeworfen und zuviel Durchschnittskost eingebaut haben. Wayward Pines scheint sich aber etwas mehr im Buchrahmen zu bewegen. ↩︎
Vermutlich wie bei "The Sixth Sense" - wenn man den Twist kennt, merkt man dass der Film ziemlich anstrengend ist. ↩︎
Spoiler: Agenten verschwinden in der Nähe einer Stadt, daraufhin verschwinden die Agenten die die verschwundenen Agenten suchen, wieder in der Nähe der Stadt. Wurde dass dann einfach so akzeptiert? Und scheinbar akzeptieren alle Leute einfach dass sie die Stadt nicht verlassen können? Und ist die ganze Stadt einfach Stück für Stück nach einem Unfall an einen Fluss aufgewacht? Und ist die ganze Rekrutierung nicht einfach etwas "dumm"? Der Antagonist hat es ja mitten drin auch schonmal auf andere Weise gemacht, wieso diese ganze "Ich lass alle vom LKW anfahren" Geschichte? Jetzt wo ich die Dinge aufschreibe ärgern sie mich doch etwas. Vorallem weil z.B. Recursion diese offenen Fragen soviel besser angeht. ↩︎
Nachdem ich letztens Foundation las, habe ich mich noch etwas weiter mit dem Autor Isaac Asimov beschäftigt, Eine recht große Bibliographie hat der Mann. Soviel Bücher und Reihen. Und dabei wollte ich doch eigentlich nur wissen wie man nach Foundation am besten weiterlesen kann.
Schliesslich gibt es noch zwei Sequels. Und dann noch zwei Prequels. Und dann noch die Imperium Bücher, welche wiederum ein Prequel zur Foundation Reihe sind - welche, wie ich zwei Sätze vorher bereits erwähnte, bereits zwei Prequels haben. Und dann gibt es noch die andere große Reihe: Robots. Und diese wurden im nachhinein dann auch mit der Empire/Foundation Reihe verbunden. Rückwirkende Kontinuität heisst das wohl. Oder Retcon wie die coolen Kids sagen.
All dass las ich und meine eigentliche Frage war - was les ich denn jetzt als nächstes? Ich kann ja nicht einfach IRGENDEIN Asimov Buch als nächstes beginnen. Geht ja garnicht.
Also:
Les ich jetzt nach Datum der Veröffentlichung? Also so wie Asismov und alle Leute "damals" die Geschichten auch verfolgt haben?
Oder Chronologisch? Also direkt mit der Robots Reihe beginnen? Und dann Empire. Und dann die FoundationPrequels? Und dann die die FoundationSequels? Auch dumm. Sind jetzt auch gefühlte 200 Bücher die ich lesen müsste, nur um zu erfahren wie es in der Foundation weiterging.
Oh Mann. Soviele Entscheidungen [1].
Also, erstmal der Plan: Ich fange mit Robots an, genauer gesagt der Kurzgeschichtensammlung "The Complete Robot" welche FAST [2] alle Robots Kurzgeschichten Asimovs beinhalten und bekomme so einen groben Überblick über sein Denken und Schreiben und gucke dann wie es weiter geht. Da hier Geschichten aus über 40 Jahren seiner Karriere gesammelt sind, sollte das vermutlich reichen.
Und Nein, dieser Gedankengang ist nicht ausgedacht und entspricht mehr oder weniger genau meinem Hirn. Sowas stresst mich auf sehr vielen Ebenen. Trauriger Emoji↩︎
Vor diesem Band gab es zwei andere Sammlungen, zum einen "I, Robot" und "The Rest of the Robots". Dieses Buch vereint diese beiden, lässt aber Verbindungsstories aus I, Robot weg. Ausserdem fehlen noch die Geschichten die geschrieben wurden, nachdem es publiziert wurde. Macht Sinn. ↩︎
Offensichtlich habe ich dieses Jahr viel gelesen. Und dazu noch viel Musik gehört. Musik in den MPC geworfen, andere Musik rausbekommen. Fahrrad gefahren. Mir das Longboarden angeeignet. Wenn man dann die Zeit für Job mit hinzurechnet, blieb einfach kaum Zeit für andere Dinge, Dinge die ich sonst auch gerne mache. Wie Netflix schauen. Oder Videospiele. Und eigentlich mag ich Videospiele. Sogar ziemlich gerne.
Und was ich auch mag sind interessante Narrativkonstrukte - wie z.B. Zeitreisen. Und gerade wurden zwei Spiele veröffentlicht die sich genau darum drehen, genauer - mit einer Zeitschleife, ähnlich Groundhog Day. Oder thematisch besser, qualitativ aber deutlich schlechter: Boss Level.
Zeitschleifen sind jetzt kein neues Konzept. Um ganz abstrakt zu beginnen - selbst Super Mario Land, wenn wir es als Prototyp für ein populäres Videospiel abseits der Arcades sehen, handelte in einer Zeitschleife. Wait what? Bist du betrunken?
Das Dilemma eine Videospiel Antagonisten ist, dass egal wie er sich anstrengt, der Protagonist mit unendlichen Möglichkeiten auf kurz oder lang gewinnen wird. Ein Dark Souls Boss kann noch so schwer sein, mit dem richtigen Commitment des Spielers wird er unausweichlich irgendwann das zeitlichen segnen. Nennen wir es den Dormammus Effekt. Und das beschreibt eigentlich jedes Action-fokussierte Spiel - seit dem Zeitpunkt an dem Videospiele aus der Arkaden befreit worden sind und Helden unendliche "Leben" haben. Gegner handeln immer gleich, und haben nicht das Vorwissen was wir haben. [1]
Was bisher aber kaum gemacht wurde: Dem Protagonisten selber das erlangte Wissen der vorherigen Trial & Error Versuche geben und ihn und nicht den Spieler darauf reagieren und dementsprechend anders handeln zu lassen. Seltsam, da Filme wie Source Code oder Edge of Tomorrow[2] die sich stark von Videospielen inspiriert haben lassen, genau dieses Thema umsetzen (entweder als Thriller oder als Action-Geschnetzel) und zeigen dass es eine Menge Potential hat ... selbst wenn Tom Cruise mitspielt.
Wir sind immer noch in der Einleitung? Ich dachte es geht hier um Videospiele, ey!!!!!1111 Ja, ok. Jetzt gehts los.
Bioshock und Prey haben das aufgegriffen und den Levelreset gleich entfernt und jeden bereits besiegten Gegner gleich komplett totgelassen, da der Protaganist einfach "neu erschaffen" wird. Liebe Videospiel Bad Boys, hier ein Lifehack: Solltet ihr in einem Dormammus Dilemma sein, baut doch erstmal alle VitaChamber ähnliche Dinge ab. ↩︎
Oder "Live, Die, Repeat". Oder "Edge of Tomorrow: Live Die Repeat". Oder "All you need is kill". Ehrlich, wie heisst der Film jetzt eigentlich? ↩︎
Inhaltswarnung: Der folgende Text behandelt u.a. auch das Thema Suizid / Freitod.
Ich hab damals Tschick gelesen und fand es auch ganz gut. Wusste eigentlich nichts über den Autor Wolfgang Herrndorf. Wusste nicht dass er, während er das genau dieses Buch schrieb, bereits mit einem bösartigen Hirntumor diagnostiziert war. Wusste nicht dass er darüber auf seinem Blog "Arbeit und Strukur" schrieb - seinem Alltag, seine Gedanken mit dem Tod und dem Leben, seine Träume. Wusste nicht dass er sich im August 2013 das Leben nahm.
Vorab direkt das Fazit, ich weiss nicht wie ich dieses Buch beschreiben soll. Aber ich weiss, dass das letzte was ich möchte eine Zahl zwischen 1-5 (in Form von Sternen) [1] ans Ende hänge. Ich möchte nicht die letzten Jahre eines sterbenden Menschen bewerten. Wirklich nicht. Falls sich jetzt aber jemand fragt ob man das Buch lesen sollte - dann hätte ich ein klares "Ja, dieses buch sollte jeder gelesen haben[2]" als Fazit.
Ab jetzt kann man auch hier mit dem Lesen aufhören und entweder auf dieser hervorragenden Seite mehr über den Autor erfahren oder das Buch direkt besorgen. Ab jetzt gibt es nur noch ein paar Textauszüge, denn ich habe tatsächlich irgendwann meinen Textmarker rausgeholt und angefangen alles was mir gefällt, nachschlagen will, oder ich kritisch sehe wild anzumarkern.
Also: Dieses Buch hat mich fertig gemacht. Herrndorf dokumentiert ab dem Moment seiner Hirntumor Diagnose, schreibt über den Tod, über ärztliche Diagnosen, den langsamen Verlust geistiger und physischer Kräfte und am meisten über das Leben im Kontext all dieser Dinge. Und hat eine so objektiven, nüchternen Stil, fast erschreckend. Immer wieder der Gedanke "Wie wäre ich mit der Situation umgegangen?" und ich kann jeden Moment des initialen Wahnsinns nachvollziehen, das Flüchten in die Ablenkung und das langsame Durchdrehen.
"Beim Ankleiden sehe ich im Badezimmer das Pinguinkostüm herumliegen [...] und schlage vor, es auf dem Gang in die Psychiatrie zu tragen. Wenn man sich einmal im Leben schon selbst dort einliefert, scheint mir, dann richtig. Ausserdem, vermute ich, wird es ein paar Formalitäten ersparen." - Seite 146, oder hier
Wolfgangs Herrndorf brauchte nach einer manischen Episode eine Möglichkeit sich abzulenken. Dies machte er mit dem Schreiben von 2,5 Romanen und den Führen eines Blogs, der auch heute noch existiert.
"Und wenn mein Entschluß, was ich machen wollte, nicht schon vorher festgestanden hätte, dann hätte er nach diesem Telefonat festgestanden: Arbeit. Arbeit und Struktur" - Seite 114, oder hier
Immer wieder das Setzen von alltäglichen Dingen in den Kontext des eventuell Ablebens:
"Und dann triggert der Fahrer unbeabsichtigt den nächsten Anfall: Ich habe die Dämonen von Dostojewskij empfohlen, er empfiehlt im Gegenzug Fernando Pessoa, und meine Gedanken laufen wie folgt: Ich werde Pessoa nicht lesen, mein Leben ist zu kurz, ich lese nur noch Bücher, die wirklich gut sind, diesen Pessoa kenne ich nicht, kann sein, daß das gut ist, kann aber auch sein, daß ich damit meine Zeit verschwende, ich kann mich auf das Urteil eines mir unbekannten Taxifahrers nicht verlassen, also lese ich das nicht, ich werde Pessoa niemals lesen, mein Leben ist zu kurz, zu kurz – Panikanfall." - Seite 137, oder hier
"[...] denn wenn man am Hirn operiert werden soll und möglicherweise nur noch eine zweistellige Zahl von Tagen zu leben hat, muss unbedingt ein Tag damit verbracht werde, sich ein rosarotes Papier vom Arzt ausstellen zu lassen, dass dann auf die AOK-Geschäftsstelle gebracht und abgestempelt werden muss, wo dreißig Leute in einem stickigen Wartesaal warten und durcheinanderreden [...]" - Seite 249, oder hier
Herrndorf nimmt immer wieder Stellung zu damals aktuellen Themen, wie Fukushima, Christian Wulf oder die Beschneidungsdebatte. Und zwischendurch gab es dann solche Sätze, die mich in ihrer fundamentalen Wahrheit wohl ab jetzt bei der Diskussion bringen kann.
"Das Unangenehme an dieser ganzen Beschneidungsdebatte schon wieder, dass es genau wie beim Frauenwahlrecht, dem Schwulenparagraphen, dem Rauchverbot, der Sterbehilfe oder der Einführung der fünfstelligen Postleitzahlen eine von Anfang an klar erkennbare Position der Vernunft gibt, die sich am Ende auch durchsetzt. Was von der Querulantenfraktion Monate, Jahre oder Jahrzehnte verzögert, aber niemals verhindert werden kann. Es ist ermüdend." - Seite 347, oder hier
Herrndorf hätte vermutlich auch diese Meinung zur aktuellen Pandemien und Querdenkern gehabt.
Der einzige Roman den ich bisher von ihm gelesen habe war Tschick. Im ersten Drittel ist das Buch auch ein Einblick in das Leben als Autor und wie er an ein Buch herangeht. Übrigens meist nur als Jugendroman oder Wüstenroman beschrieben. Laut lachen musste ich hier, als er über eine Stelle aus Tschick schreibt:
"Endlich schleppt sich die Romanhandlung raus aus Berlin. Der Lada ist fachmännisch kurzgeschlossen, und grad hab ich die Jungs auf die Autobahn gejagt und mich unter den Tisch gelacht über den Einfall, daß sie keine Musik hören können. In Gegenwartsjugendliteratur ist es zwingend notwendig, die Helden identitätsstiftende Musik hören zu lassen, besonders schlimm natürlich, wenn der Autor selbst schon älteres Semester ist, dann ist die Musik auch gern mal Jimi Hendrix, der neu entdeckt werden muß, und Songtextzitate gehören sowieso als Motto vor jedes Buch. Aber der Lada hat leider nur einen verfilzten Kassettenrekorder. Kassetten besitzen die Jungs logischerweise nicht, und dann finden sie während der Fahrt unter einer Fußmatte die Solid Gold Collection von R. Clayderman, und ich weiß auch nicht, warum mich das so wahnsinnig lachen läßt, aber jetzt kacheln sie gerade mit Ballade pour Adeline ihrem ungewissen Schicksal entgegen. Projekt Regression: Wie ich gern gelebt hätte." - Seite 49, oder hier
Und dann kommen Stellen in den Herrndorf über seine Exitstrategie redet. Und das heisst: Eine konkrete Absicht zur Selbsttötung. Er schaut sich Dokumentation über Sterbehilfen an, effiziente Techniken um die Gefahr eine Überlebens so gering wie möglich zu halten. Immer wieder setzt er diese dann in den Kontext dass es für ihn die letzte Möglichkeit der Selbstbestimmung ist. An manchen Stellen gibt die ungeladene Waffe in der Hand einfach Rückhalt.
"Ich erzähle C. davon, weil wir das Abkommen haben, alles zu erzählen, und dass ich mich, wenn ich wie durch ein Wunder geheilt würde, dennoch erschießen würde. Ich kann nicht zurück. Ich stehe schon zu lange hier." - Seite 355, nicht online.
Diese Stellen sind schwer zu lesen, zum einen wegen des Themas, zum anderen aber dass es in seinem Fall, seinem Anwendungszweck als nicht falsch erscheint. Insbesondere, als der Tumor gewinnt und eine Behandlung nicht mehr viel bringt.
"Zahlen sind komplett weg. Das Kleine Einmaleins ist noch da, weil es nicht Rechnen ist, sondern Erinnerung. Aber Zahlen: Null. [...] Meistens mache ich vier oder fünf Versuche und entscheide mich für das häufigste Ergebnis. Vier identische Zahlen untereinander: Okay, das überweise ich dann jetzt mal an das Finanzamt." - Seite 386, oder hier
"Dramatischer Sprachverfall. Unklar, ob die Worte schon schwinden, oder ob nur Streß. Denn immer wieder gelingen fast fehlerfreie Sätze. Hauptsächlicher Bestandteil, wenn ich das richtig sehe: der Gedanke, Isa nicht fertigstellen zu können. Spätestens letzten Sommer wäre es da gewesen. Zuletzt immer noch manchmal zunehmend schlapp Tage gearbeitet, Material längst genug, kann ich nicht mehr, wird nichts. Jeder Satz im Blog mit größter Mühe zusammengeschraubt. Freunde korrigieren. Mein häufigster Satz in Unterhaltungen: Was ist, was ich sagen will, nicht das, das andere Wort, das ohne mit dem, so was Ähnliches, das, ja, nein, lateinische Wurzel, ja –" Seite 410, oder hier
Auf dem Buchrücken steht ein Auszug einer Kritik die besagt dass dies kein Buch über den Tod ist, sondern ein Buch über das Leben. Und das trifft es eigentlich sehr gut.
Anstatt meiner üblichen Liste zusammenhangsloser Songs die ich in letzter Zeit gefunden habe - heute einmal was anderes. Eine kleine Reise wie ich einen Haufen (deutscher Künstler) kennengelernt habe. Und das alles auf Basis eine Songs aus dem Jahr 2017.
Schminke ist ein Track von dem Kollaborationsalbum der Sängerin Mine und Deutschrapper Fatoni. Da ich mich bis Anfang des Jahres wenig für deutsche Musik - und noch weniger für Deutschrap - interessiert habe, waren beide ziemlich neu für mich.
Mehr oder weniger durch Zufall bin ich im April diesen Jahres auf dann auf die dritte (und bisher finale) Version des Songs Schminke gestoßen und war fasziniert. Nicht nur dass die Bassline einfach direkt ins Bein geht, da war noch dieser große Haufen von Künstler und verschiedene Stile, man kann sagen ich war intrigued.
In den kommenden Wochen und Monaten habe ich mich immer weiter in diese Bubble reingehört und Stück für Stück eine Menge großartiger Künstler entdeckt und vermutlich hat dieser Track meine musikalische Reise in 2021 erheblich beeinflusst.
Man könnte sagen dass ich schon inzwischenso etwaswie ein Fanboy bin wenn es um Fredrik Backman geht. Zwei der drei Bücher, die ich dieses Jahr von ihm gelesen haben gehören definitiv zu dem besten was ich in den letzten Jahren vor mir habe. Seine Bücher zeichnen sich durch eine starke Bindung an die Charaktere aus, und selbst die scheinbar langweiligste Nebenfigur kann einen durch Backmans Schreibe ein Lächeln auf das Gesicht zaubern. Augen tränen abwechselnd entweder weil etwas sehr traurig oder lustig sind und meist liegen dazwischen nur ein paar Absätze und ich war teilweise überwältigt was seine Geschichten und Figuren ihn mir auslösen konnten.
Aber wenn man meinen Eintrag zu "Britt-Marie war hier" liest, merkt man auch dass sein Schreibstil und Struktur auf Dauer etwas durchschaubar wird, da er im schlussendlich immer wieder dieselben Kniffe anwendet. Und dann kam dieses Buch daher. Stadt der grossen Träume - oder der bessere englische Titel den ich ab jetzt nutze weil sich dieser nicht wie ein Rosamunde Pilcher Film anhört - Beartown.
Worum gehts: Die Stadt Björnstadt in Schweden ist eine sterbende Kleinstadt, wie es viele überall gibt. Allerdings ist dieses Städtchen eine Eishockey Stadt - es scheint kaum einen Bewohner zu geben der nicht für diesen Sport brennt. Und jetzt - nach einer lange Durststrecke - geht es auch wieder mit der Profimannschaft der Stadt voran, denn die nachfolgende Generation brennt mit einer ganz neuen Stärke für den Sport und nicht zuletzt ein Mitspieler scheint das Potential zu haben die Björnstadt Bären wieder ganz weit nach oben zu bringen. Und dann passiert etwas was Björnstadt für immer verändern wird.
Beartown ist kein Sportroman, es ist die Geschichte einer Stadt die nun mal Eishockey mag, aber eigentlich ihre ganz eigenen Konflikte austrägt. Tatsächlich ist Beartown etwas ganz anderes. Vergleicht man es mit den vorher genannten Büchern des Autoren, merkt man zuerst dass wir hier nicht einem Charakter folgen und auch nicht die Welt aus der (teils eingeschränkten) Sicht dieser einen (Haupt)-Figur sehen, sondern dass man in diesem Buch einer Vielzahl verschiedenster Leute folgt, und dass mit einer tiefen Charakterzeichnung, weit abseits von Schwarz und Weiss [1] und jeder mit eigenen (nachvollziehbaren) Beweggründen für Handeln und Tun.
Backman lässt sich Zeit. Sehr viel Zeit. Es gibt seitenlange Absätze die erklären dass eine Figur gerade einer Tätigkeit nachgeht, aber statt weiter auf diese "Tätigkeit" einzugehen, geht es dann in den folgenden Seiten um Erlebnisse in der Vergangenheit, um Gedankengänge und um Schlussfolgerungen. Und fast die ganze erste Hälfte scheint genauso aufgebaut zu sein. Wir fliegen von einer Figur zur nächsten, teils mit Übergängen und lernen so fast jede Figur erstmal kennen, egal wie unwichtig sie zu sein scheint, lernen auch wie welche Figure mit wem verknüpft ist. [2].
Und dann kam die zweite Hälfte und verändert die ganze Stadt. Den Konflikt auf dem in der ersten Hälfte hingearbeitet und mit diversen Anspielungen des Erzählers vorbereitet wird, fand ich selber jetzt nicht sehr überraschend, aber man merkt einen deutlichen Impact in der Stadt. Wie dieser die Verbindungen und Abhängigkeiten der Figuren beeinflusst, Freundschaften zerbrechen, Konzepte wie Loyalität, Treue, Liebe auf die Probe gestellt werden. Und wenn man den Figuren inzwischen so nahe ist wie man es nach den ersten 250 Seiten war, ist man hooked. Und das war ich auch. Die zweite Hälfte des Buches hab ich fast in einem Rutsch gelesen.
Beartown war für mich eine Überraschung. Weil es nicht dass war was ich erwartet oder befürchtet hatte und zweitens weil es trotz des Stilwechsels durchweg spannend war und ich immer mehr über diese Stadt wissen wollte. Damit ist Backman jetzt vermutlich endgültig einer der besten Autoren der letzten Jahre für mich. Punkt.
zumindest wenn es um Figuren mit Namen geht, dann gibt es noch Figuren die einfach nur "Klubdirektor", "Der Bassist" oder XY's Vater/Mutter, obwohl auch diese nicht ganz 2-dimensional sind. ↩︎
Erinnerte mich tatsächlich ein bisschen an diese eine Simpsonsfolge, in der viele kleine Stories in Springfield erzählt werden ↩︎